Die Hohe Landesschule als Tor zur Welt

Die Hanauer Kolonie und die HOLA: Hanauisch Indien

Hanauisch-Indien war der Name eines 1669 vertraglich vereinbarten, aber nie realisierten Kolonialprojekts der Grafschaft Hanau im heutigen Französisch-Guayana, Suriname und nördlichen Brasilien.

Im Juli 1669 schloss der Hanauer Geheimrat Johann Joachim Becher im Auftrag des Grafen Friedrich Casimir von Hanau in Amsterdam einen Vertrag mit der Niederländischen Westindien-Kompanie darüber, von ihr ein Gebiet von 3.000 holländischen Quadratmeilen (fast 100.000 km²) als Lehen zu nehmen. Ziel war es, mit einer Kolonie zu einer positiven Handelsbilanz zu gelangen, um die Finanznöte der Grafschaft Hanau auszugleichen (Merkantilismus). Geplant war, dort das Königreich Hanauisch-Indien zu gründen und die Indianer genannten Einwohner zu „freundlichen und zivilisierten“ Menschen zu machen. Der Vertrag sah weitgehende Rechte für die Niederländische Westindien-Kompanie vor, z. B. ein Transportmonopol für den Verkehr mit der Kolonie.

Das Gebiet der geplanten Kolonie war bei weitem größer als die Grafschaft Hanau selbst (ca. 44 holländische Quadratmeilen / knapp 1.500 km²). Von Anfang an mangelte es an den Möglichkeiten, ein solches Vorhaben zu finanzieren, und an Kolonisten. Das Projekt endete für die Grafschaft Hanau in einem finanziellen Fiasko und traf noch – wie im Falle des Staatsrechtlers August Ludwig von Schlözers – hundert Jahre später auf das Interesse eines größeren Publikums. Ein Versuch, es 1672 dem König von England zu verkaufen, fand dort keine Gegenliebe. Das Projekt scheiterte endgültig durch den Beginn des Französisch-Niederländischen Krieges im gleichen Jahr. Für die Hohe Landesschule hatte der koloniale Traum Friedrich Casimirs zur Folge, dass die fürstliche Verwandtschaft in Hessen-Kassel Angst um ihr Hanauer Erbe hatte – der Graf schien des „durchzubringen“ – und in Wien beim Kaiser das Projekt torpedierte.

Das Bildungswesen blühte, die Hohe Landesschule war dabei, sich zur Universität zu entwickeln. Namhafte Gelehrte, Kapazitäten ihres Fachs, lebten hier, wie der Botaniker Rumphius. Doch die Verwandtschaft Friedrich Casimirs hintertrieb auch die Erlangung des Promotionsrechts für die Hohe Landesschule, mithin deren Universitätsstatus, indem sie das Kolonialprojekt als „Spinnerei“ abtat. Obwohl der Kaiserhof eigentlich schon positiv über die Bewilligung der Promotionsrechte für die HOLA beschieden hatte, verlief aufgrund der „Indien“-Sache dieses Thema nun im Sande.

In Angedenken des Kolonialprojektes wurde eine Allegorie von Johann David Welcker gemalt. Auf diesem Bild ist der sogenannte „angolanische Mohr“ zu sehen, der wiederum auf dem Pädagogium der Hohen Landesschule eingeschult worden war.