Briefverkehr zwischen Tossanus und Sebastian Beck 1631
1.1 Einleitung zum Projekt
Dies ist meine Analyse eines historischen Briefes, den Dr. Paul Tossanus, ein Lehrer der Hohen Landesschule Hanau, am 14. April 1631 an seinen Freund Dr. Sebastian Beck, einen Doktor der Theologie an der Akademie in Basel, geschrieben hat.
Ich bin momentan Schüler der Q2 der Hohen Landesschule Hanau. Während der Analyse konnte ich auf eine Datenbank über ehemalige Lehrer der hohen Landesschule zugreifen, die von dem Leistungskurs des Fachs Geschichte angelegt wurde.
Die Interpretation war ein Projekt des Lateinkurses Q2 L5, da der Brief auf Latein verfasst ist und wir ihn erst übersetzt haben. Die Briefe wurden noch nie vorher übersetzt und wir haben dadurch etwas zur Erinnerungskultur unserer Schule beigetragen. Unsere Ergebnisse werden in der Hohen Landesschule Hanau veröffentlicht.
1.2 Einleitung zum Brief
Am 14. April 1631 schreibt Dr. Paul Tossanus an seinen Freund Dr. Sebastian Beck einen Brief.
Die beiden Männer hegten eine Freundschaft. Sie verband der protestantische Glauben und beide hatten einen Doktor Titel der Theologie erworben. Jedoch sahen sie sich selten, da Dr. Beck in Basel als Professor arbeitete und Dr. Tossanus in Hanau lebte. (6)
Paul Tossanus schreibt diesen Brief, da er lange keine Nachricht von seinem Freund erhalten hat, in ihm schreibt er hauptsächlich über Privates. Er betont jedoch auch seinen Ärger über die momentane politische Lage. Der Stil des Briefes ist gehoben, aber nicht so ausgefeilt, wie zum Beispiel bei einer politischen Rede. Es handelt sich um spätmittelalterliches Latein, dass sieht man unteranderem daran, dass Wörter teilweise abgekürzt werden.
- Historische Einordnung und Erläuterung des Inhalts
Dr. Tossanus beginnt seinen Brief mit der Anrede an den Briefempfänger Dr. Beck. In dieser macht er Dr. Beck Komplimente, wie es auch heute noch üblich ist. Er schreibt „erlauchtester, ehrwürdiger und überaus berühmter Mann, ehrlichster Freund“ (Z.1). Die Komplimente steigern sich in der Bedeutung, daher ist diese Anrede eine Klimax. Dieses stillvolle Überhäufen des Empfängers des Briefes mit Komplimenten ist typisch für Briefe des 17. Jahrhunderts. Man wollte so den Still der Adligen am Hofe nachahmen und den besten Eindruck bei seinem Briefpartner hinterlassen. (3) Darauf betont Dr. Tossanus, wie viel ihm ihre Freundschaft bedeutet und dass er diese beibehalten will. Er nennt auch kurz die Synode von Dordrecht als den Ursprung der Freundschaft der beiden. Diese Synode war ein Zusammentreffen der niederländischen protestantischen Kirche. Mehrere protestantische Geistliche trafen sich vom November 1618 bis Mai 1619 in Dordrecht (Niederlande), um religiöse Fragen zu diskutieren. (5) Es waren auch ausländische Geistliche eingeladen, unter anderem Dr. Paulus Tossanus und Dr. Sebastian Beck. Die beiden trafen sich dort und wurden Freunde.
Im weiteren Verlauf des Briefes entschuldigt sich Dr. Tossanus sehr ausführlich dafür, dass er so lange nicht geschrieben hat. An dieser Stelle sieht man wieder die damals übliche übertriebene Höflichkeit. Als Grund nennt er seine Verzweiflung über die politische Lage. Besonders betont er das „schimpfliche Abfallen der meisten Untergebenen in der Pfalz“ et turpem plerorumque subsitorum in Palatinatu“ (Z 8-9). Dr. Tossanus spielt hier auf den Verlauf des 30-jährigen Krieges (1618-1648) an, der 1631 noch lange nicht vorbei war. (1)
In diesem Krieg kämpften protestantische Herrscher gegen katholische Herrscher, offiziell kämpften sie für ihren Glauben, jedoch wollten auch viele Herrscher ihr Territorium und ihre Macht erweitern. Auf beiden Seiten kam es zu schrecklichen Verbrechen der Soldaten. Die Pfalz war am Anfang des Krieges ein protestantisches Gebiet, was von dem protestantischen König Friedrich V. regiert wurde. (2) Dieser wollte eine kriegerische Verbreitung seines Glaubens, jedoch wurde er besiegt und ging ins Exil, während die Pfalz dem katholischen Bayern eingegliedert wurde. Daraufhin verbündeten sich viele protestantische Fürsten mit den Dänen um die katholische Liga, der auch der deutsche Kaiser angehörte zuschlagen. Die Dänen wurden jedoch 1629 geschlagen und mussten ein Friedensabkommen unterzeichnen. (1) 1631, in dem Jahr, in dem Dr. Tossanus den Brief geschrieben hat, sieht es für die protestantische Seite daher schlecht aus.(1) Dr. Tossanus hat Verbindungen in die Pfalz und hat dort wahrscheinlich wahrgenommen, wie die einst protestantische Hochburg katholisch wurde. Wahrscheinlich meint er das mit dem Abfall der Untergebenen.
Danach schreibt Dr. Tossanus über Privates. Er schreibt, er habe einen älteren Brief von Sebastian Beck nicht erhalten, wurde aber über seinen Vetter von ihm gegrüßt. Dieser Vetter war zu der Zeit Rektor an Dr. Becks Hochschule. Dann berichtet Dr. Tossanus noch, dass er in Hanau doch einen Brief von Dr. Beck erhalten habe.
Dr. Tossanus schreibt weiter, er führe momentan eher ein ruhiges Leben, da niemand viel Arbeit für ihn habe. Er berichtet, er habe einige historische Exemplare ausgebessert, sei ansonsten aber beschäftigungslos, dies störe ihn aber nicht sehr, da er schon auf die 60 zugeht.
Dr. Tossanus beschwert sich anschließend darüber, dass sein Vetter erst eine vocatio (Z. 33), also einen Ruf oder eine Einladung für ein Amt angedeutet habe und dann aber nichts mehr dazu geschrieben hat. Dadurch hat sich Dr. Tossanus auf die Folter gespannt gefühlt. Daher bittet er Dr. Beck seinem Vetter liebe Grüße auszurichten und ihm zusagen, er solle in Zukunft präziser schreiben.
Dr. Tossanus hat im ganzen Hauptteil über Privates geschrieben, am Ende macht er noch eine Aussage über die damalige Politik. Er schreibt, er wolle sich generell nicht über die Lage auslassen, er habe aber das Gefühl, dieses Jahr ändere sich etwas. Er schreibt, er habe das Gefühl, dass sich für die „Ecclesiarum afflictarum“(Z.44,45) die gepeinigte Kirche etwas zum Besseren wenden wird. Wahrscheinlich meint er die protestantische Kirche, zu der er sich zugehörig fühlt und die zu der Zeit stark litt. Vielleicht meint er aber auch die ganze christliche Kirche, da es für alle Christen schlimm sein muss, wenn sich die Glaubensbrüder zu Tausenden töten. Welche Änderung er meint, kann man nur mutmaßen, vielleicht hat er Hoffnung in die seit 1631 von Norden eindringenden Schweden gesetzt. Die Schweden wollten den protestantischen Fürsten helfen und haben selbst nach mehr Gebieten und Macht gestrebt. (1) Vielleicht hat er auch an ein schnelles Ende des Krieges geglaubt oder an ein Aufeinanderzugehen der Konfessionen.
Am Ende schreibt Dr. Tossanus, er und Dr. Beck müssten auf Gott vertrauen und wünscht Dr. Beck, dass dieser ihn schütze.Hier kommt zum einen Dr. Tossanus Glaube zum Vorschein und zum anderen macht er Dr. Beck wieder Komplimente. Den Glauben erkennt man daran, dass er auch in schwierigen Zeiten in Gott vertraut und glaubt, der Mensch sei nur bedingt mächtig und, dass Gott die Dinge lenke. Dass er Dr. Beck Gottes Schutz wünscht, zeigt, dass die Beiden der Glauben verbindet. Dafür spricht auch, dass sie sich bei einem protestantischen Treffen trafen.
Dr. Tossanus beendet den Brief mit einem Abschlussgruß über sieben Zeilen. Diesen Gruß beginnt er mit „Vale“ (Z.48), was eine typische Verabschiedung im Lateinischen ist. Es heißt so viel wie Tschüss oder Lebewohl. Er nennt ihn dort auch wieder seinen innigsten Freund. Anschließend schreibt er „dein Dr. Paulus Tossanus“ diese Verabschiedung ist bei engen Bekannten noch heute üblich und betont wieder die Freundschaft zwischen Dr. Beck und Dr. Tossanus.
- Stilistische Analyse und Analyse der Beziehung der Beiden
Ganz am Ende schreibt er noch mal, dass der Brief Sebastian Beck gewidmet ist und macht diesem eine Menge Komplimente. Man merkt besonders am Anfang und am Ende die im 17 Jahrhundert übliche Art viele Komplimente zumachen. Man spricht von galanten Briefen, also künstlerischen Briefen, in denen man dem Empfänger schmeichelt.(3) Man merkt auch, dass Dr. Tossanus lange, teilweise kunstvolle Sätze bildet und den Text öfters überarbeitet hat. So wurden im 17. Jahrhundert viele Briefe verfasst. (3) Dr Tossanus drückt sich für unsere Verhältnisse etwas geschwollen aus, aber trotzdem ist es ein natürlicher und nicht sehr künstlicher Brief.
Der Brief hat einen klassischen Aufbau. Es gibt eine Begrüßung Zeile 1 dann kommt die Einleitung von Zeile 2 bis Zeile 10 und einen Hauptteil von Zeile 10 bis 29. Darauf folgt ein kurzer Schluss, der in die Verabschiedung übergeht. In der Einleitung nennt Dr. Tossanus den Grund für sein Schreiben und macht viele Komplimente. Man nennt das eine „captatio benevolentiae“, übersetzt heißt das Werben um die Gunst. Im Hauptteil berichtet er von seinem Leben und schreibt über seine Gefühle. Der Schluss rundet das Ganze ab, wobei er sich nicht streng an ein Schema hält, er hat seinen Text nur klassisch strukturiert.
Man kann sich noch fragen, wie die Beziehung zwischen den Beiden ist. Der Brief ist förmlich und Dr. Tossanus artikuliert sich sehr gut, dass spricht für eine eher intellektuelle Beziehung. Dafür spricht auch die Geschichte, wie sie sich kennengelernt haben. Auf der anderen Seite schreibt Dr. Tossanus ehrlich über seine Situation und traut sich, auch über seine Gefühle zu schreiben. Daher glaube ich, dass die beiden eine echte Freundschaft verbunden hat, auch wenn sie sich nicht oft gesehen haben.
Dr. Tossanus verwendet in seinen Komplimenten meistens den Superlativ zum Beispiel „amicorum intime“ (Z.49) vertrautester meiner Freunde, jedoch würde ich dem nicht immer glauben. Der Superlativ im Latein ist nicht gleichzusetzen mit dem deutschen Superlativ.
Der Lateiner verwendet den Superlativ auch, wenn er zum Beispiel einen sehr vertrauten Freund meint. Auch waren diese Übertreibungen im 17. Jahrhundert üblich und galten als hohe Kunst.(3) Dennoch wird auch ein Funken Wahrheit darin stecken und die beiden mochten einander wahrscheinlich wirklich. Ihre Freundschaft betont Dr. Tossanus viermal, zweimal in der Anrede und zweimal am Schluss. Diese starke Wiederholung lässt auf eine wirkliche Freundschaft schließen.
4.1 Fazit der Analyse
Abschließend lässt sich festhalten, dass der Brief für die damalige Zeit typisch und förmlich geschrieben wurde und dennoch kein künstlicher oder sehr strikt geordneter Brief ist. Der Inhalt drückt hauptsächlich Privates aus, jedoch betont Dr. Beck auch mit starken Worten seine Abneigung gegenüber der momentanen politischen Lage. Auch über seine Gefühle schreibt er, dies war zu der Zeit populär geworden. (3) Die Beziehung der beiden scheint eher eine Intellektuelle zu sein, wobei sie dennoch eine Freundschaft verbindet.
4.2 Persönliches Fazit
Spannend finde ich an dem Brief, dass er Einblick in das private Leben einer Person, die zur Zeit des 30.-jährigen Krieges gelebt hat, gibt. Diese Zeit ist von meinem Leben noch weiter entfernt als die Zeit der DDR oder des Zweiten Weltkrieges, von denen es Fotos und Videos gibt und die man aus Erzählungen von Verwandten kennt. Auch wenn die Sprache des Briefes mir fremd erscheint, so ist es doch ein normaler Brief und kein literarisches Werk, was es – finde ich – noch interessanter macht. Besonders an dem Projekt ist, dass wir den Brief eines ehemaligen Lehrenden an der hohen Landesschule Hanau übersetzt haben. Ein Brief, der hier in Hanau geschrieben wurde, das war für mich das besondere an dieser Analyse.