Eine schwarze Eisentruhe im Direktorenzimmer
Im Zimmer des Schulleiters der Hohen Landesschule steht eine solche schwere Truhe aus Gusseisen (Abb. 1 und 2), die mit zwei Schließmechanismen versehen ist: einem einfach zugänglichen Schloss vorne vor der Truhe, das aber funktionslos ist, und einem Schloss oben auf dem Deckel. Dieses Schloss ist abgedeckt mit einem drehbaren Knauf. Dieser sollte den Zugang zur Truhe geheim halten. Der unter dem Knauf verborgene Schließmechanismus lässt sich nur mit einem Dreh nach links und dann wieder nach rechts öffnen. Der vordere Schließmechanis- mus hingegen ist lediglich zur Zierde, er sollte vom eigentlichen Schloss auf dem Deckel der Truhe ablenken. Der Schlüssel stammt wohl aus späterer Zeit. Vor der Truhe sind zudem zwei Überfallen zu sehen. Die linke Überfalle für das lin- ke Vorhangschloss wurde wohl später mal ersetzt, die ursprüngliche Gravierung fehlt hier.
Vor der Truhe ist neben dem Zierschloss der Doppeladler des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation4 zu sehen. Er wird von zwei unbeflügelten sowie ungekrönten Greiflöwen (Kythong) flankiert. Greifen sind Fabeltiere, die den Oberkörper eines Löwen haben, jedoch Vogelkrallen aufweisen. Ihre Ohren sind spitz und ihre Schwänze stets zwischen den Hinterbeinen geschlungen. Als Sinnzeichen für Kraft, Macht und Herrschaft war der Greif in der Heraldik außerordentlich weit verbreitet als Wappentier und als Schildhalter.
Die dargestellte Krone zwischen den Greifen und über dem Doppeladler ist wahrscheinlich eine angedeutete Grafenkrone, in diesem Fall die so genannte alte Grafenkrone. Die Vermutung, dass es sich um eine Grafenkrone handelt, liegt insofern nahe, als dass es sich zum einen eindeutig nicht um die Reichskrone handelt, zum anderen ähnliche Darstellungen bei einigen Wappen der Gesamtgrafschaft Hanau Verwendung finden, die man innerhalb Hanaus ausmachen kann.
Öffnet man die Truhe, so sieht man den aufwändigen Schließmechanismus am Deckel, abgedeckt mit einer Messingplatte, auf der eben jenes Wappen der Ge- samtgrafschaft Hanau abgebildet ist. Links und rechts stehen er- neut zwei Greifen mit niedergeschlagenen Flügeln auf Rosen (?). Die Häufung der Greifen ist keine Seltenheit, da vorzugsweise neben Löwen oder Menschen Greifen als Schildhalter verwendet wurden.
Experten vermuten die Herkunft der Truhe aus Süddeutschland oder Hessen, ihre Entstehungszeit wird um das Jahr 1680 datiert. Es ist wohl eine sehr hochwertige Truhe, das aufwändige Wappen (Doppeladler mit Greifen) an der Vorderfront ist selten. Die Truhe weist zusätzlich eine hohe Anzahl von Doppelfallen (10 Stück) sowie aufwändige Tragegriffe auf, was ihre Qualität noch erhöht.
Für was die Truhe wirklich genutzt wurde, ist unklar. Ihr Lagerungsort lässt aber vermuten, dass die Camp’sche Münzsammlung nach ihrer Überführung an das Gymnasium durch Direktor Prof. Dr. Georg Philipp Schuppius in ihr aufbewahrt wurde. Reinhard Suchier berichtet, dass eine „eiserne Kiste […] dazu angeschafft und darin die Sammlung unter dreifachem Verschluss aufbewahrt […]“ wurde.
Bei der Truhe handelt es sich also nicht um eine Regiments- oder Kriegskasse der Grafschaft Hanau. Sie wurde wohl eher zu repräsentativen Zwecken am Hof verwendet, und nicht, wie in der literarischen Klischee-Vorstellung, als „Kriegskasse“ mit der Truppe mitgeführt. Fast alle dieser eisernen Kassen dienten der Sicherheit und auch dem Brandschutz und wurden nicht im Regiment mitgeführt, sondern als Zierschmuck für Räume und Aufbewahrungsort von wertvollen Gegenständen jedweder Art angeschafft.